Ein Tag als Sportwart der Formel 1: Die freiwillige Lebensader des Motorsports

Ein Tag als Sportwart der Formel 1: Die freiwillige Lebensader des Motorsports

 

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Ein leises Knistern in unserem Headset kündigt die ersten Funksprüche an. “30 Sekunden”, ertönt eine Stimme, kurz darauf folgt das Kommando “Fahrzeuge auf der Strecke”. Es ist Freitagnachmittag beim Singapur-GP 2025, und wir stehen außen an Kurve 5, als die ersten Boliden vorbeischießen.  Filip Cleeren Reporter Filip Cleeren (links) hat in Singapur einen Tag als Formel-1-Marshal erlebt

“Wir”, das sind mehr als ein Dutzend Offizielle in orangefarbenen Overalls. Die Sportwarte sind das Rückgrat des Motorsports, denn ohne sie könnte kein einziges Formel-1-Rennen stattfinden. Rund 1.100 Sportwarte sind in Singapur im Einsatz, deutlich mehr als bei den meisten anderen Rennen. Ihre Aufgaben lassen sich an den verschiedenfarbigen Westen erkennen. Die “Track Marshals” beseitigen Trümmerteile, Bergungsmarshals sichern liegengebliebene Fahrzeuge, Flaggensignale und Lichttafeln werden von speziellen Flaggenmarshals bedient. Feuerwehrmarshals sind für Brände ausgebildet, Beobachter achten auf Gefahrenstellen, und jeder Streckenabschnitt wird von einem sogenannten “Sektorchef” überwacht. Sportwarte sind “Augen und Ohren der Rennleitung” Sektor 5 liegt in den erfahrenen Händen von Ganesh, 56 Jahre alt, der diese Aufgabe bereits seit 16 Jahren ausübt. Dieses Wochenende begleiten ihn zwei sogenannte “Tangos”, also angehende Sektorchefs, die noch in der Ausbildung sind. Für das Freitagstraining bin ich selbst der dritte “Tango”.
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“Wir sind die Augen und Ohren der Rennleitung”, erklärt Ganesh, der aus Chennai in Indien stammt, aber seit vielen Jahren in Singapur lebt. “Zwar hat die Rennleitung Zugriff auf die Kamerabilder, doch sie ist auch auf unsere Beobachtungen angewiesen.”  Filip Cleeren Die freiwilligen Sportwarte müssen jederzeit mit dem Ernstfall rechnen

“Wenn ein Auto die Wand berührt, aber weiterfahren kann, müssen wir beurteilen, ob es dadurch Schäden gibt, die den Ablauf der Session gefährden könnten. Unsere Beobachter melden das, und ich leite die Information präzise an die Rennleitung weiter.” Der Himmel ist wie so oft in Singapur bedrohlich dunkel, doch abgesehen von leichtem Nieselregen bleibt das Freie Training von einem Monsun verschont. Die Fahrer tasten sich nach und nach an die Grenzen der engen Straßenstrecke heran und kommen den Wänden zentimeterweise näher. Ein Beobachter meldet eine Plastikflasche in der Nähe der Ideallinie, doch die Rennleitung entscheidet, dass kein Eingreifen nötig ist. Auch die überhitzten Bremsen am Williams von Alex Albon bleiben nicht unbemerkt: Die Feuerwehrmarshals werden in Alarmbereitschaft versetzt, doch als Albon in die Box zurückkehrt, gibt es Entwarnung. Sportwarte müssen immer aufmerksam bleiben Kurve 5 gilt als besonders unfallträchtiger Abschnitt, weil sie nach einer starken Bremszone liegt und einen kleinen Auslaufbereich hat. Deshalb sind hier 18 Sportwarte stationiert und damit mehr als üblich, sowohl erfahrene Kräfte als auch Neulinge. Entgegen der allgemeinen Vorstellung ist eine ruhige erste Trainingssitzung kein Zeichen von Langeweile. Es geht darum, aufmerksam und gut geschult zu sein, um auf jede Situation vorbereitet zu reagieren. “Ein Straßenkurs ist immer unvorhersehbar. Man kann sich auf hundert Szenarien vorbereiten – und am Ende tritt das hundertundeinste ein”, sagt Ganesh. “Ich war an der letzten Kurve im Einsatz, als Lance Stroll 2023 im Qualifying verunfallte. Wir hatten dort keinen Unfall erwartet, und plötzlich war da dieses laute Krachen. Solche Momente zeigen, dass man stets bereit sein muss. Als Streckenposten muss man oft in Sekunden entscheiden – nicht alles läuft perfekt, und kein Vorfall gleicht dem anderen.”  Filip Cleeren In Kurve 5 sind insgesamt 18 Sportwarte mit unterschiedlichen Aufgaben eingeteilt

“Nach jedem Wochenende reflektieren wir, was gut lief und was man besser machen kann.” Ganesh leitet ein vielfältiges Team aus Männern und Frauen aus aller Welt. Weil Singapur als Inselstaat kaum eigene Motorsportaktivitäten hat und die Strecke nur einmal im Jahr genutzt wird, absolvieren die einheimischen Sportwarte im Vorfeld zusätzliche Schulungen und Sicherheitsbriefings.
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Zudem reisen viele erfahrene Helfer aus anderen Ländern an, um das Team zu unterstützen. Die Ausbildung erfolgt über nationale Motorsportverbände, oft beginnt man auf lokaler Ebene und arbeitet sich schrittweise nach oben. “Mein erster Grand Prix war in Silverstone. Ich war auch schon in Miami und Abu Dhabi”, erzählt Sophia, 30, die aus Großbritannien angereist ist und zum ersten Mal in Singapur im Einsatz ist. Seit neun Jahren ist sie als Sportwartin tätig, inspiriert durch eine Freundin an der Universität. “Ich habe mich schon für Melbourne im nächsten Jahr angemeldet. Ich möchte all die Rennen erleben, die ich als Kind so geliebt habe.” Fast jeder kann Sportwart werden, doch es ist nicht jedermanns Sache. Weil es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt, tragen die Freiwilligen alle Reise- und Unterkunftskosten selbst. Dazu kommen lange, anstrengende Tage. Beim Nachtrennen in Singapur beginnt der Dienst um 10:45 Uhr morgens und endet erst nach 23:00 Uhr. Was den Job als Sportwart so besonders macht Schwere Unfälle sind selten, aber wie der Vorfall mit Liam Lawson und zwei Marshals beim Großen Preis von Mexiko zeigt, birgt die Aufgabe durchaus Risiken. Dennoch bleibt sie für viele Motorsportfans die beste Möglichkeit, hautnah dabei zu sein. Es ist ein Ehrenplatz mit Verantwortung.  Filip Cleeren Auch für die Flaggensignale und Lichttafeln sind die Sportwarte verantwortlich

Doch es ist nicht nur die Nähe zur Action, die den Reiz ausmacht. Immer wieder betonen die Helfer den starken Gemeinschaftssinn. “Ich habe mich sofort verliebt, als ich anfing”, erzählt Sophia. “Man wächst zu einer Familie zusammen. Vier lange Tage arbeitet man eng zusammen, lernt sich kennen und schließt Freundschaften.”
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Mit dem weltweiten Boom der Formel 1 ist die Gemeinschaft zudem vielfältiger geworden. Als Sophia auf Klubebene begann, fiel ihr sofort auf, dass sie als Frau südasiatischer Herkunft allein auf weiter Flur war. “Ich war die einzige asiatische Frau im britischen Sportwartewesen.”
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“Das war frustrierend und erschreckend zugleich”, berichtet sie. “Inzwischen hat sich viel getan: Motorsport UK und die FIA mit dem ‘Girls on Track’-Programm haben Großes geleistet, und auch Lewis Hamiltons Mission 44 hat viel bewirkt.” Diese Entwicklung spiegelt den Wandel in der gesamten F1-Fangemeinde wider, seit Netflix mit “Drive to Survive” ein neues Publikum erreichte. Auch die Freiwilligenzahlen stiegen deutlich. “Bis zur Pandemie hatten wir große Nachwuchsprobleme”, erzählt Dom aus Australien, 71 Jahre alt und zuständig für die Flaggen.  Hector Vivas / Getty Images Mexiko-GP 2025: Der Job der Sportwarte ist nicht immer ungefährlich

Nach seiner Pensionierung mit 65 begann er mit dem Ehrenamt, heute ist er Sektormarshal. “Früher waren die meisten von uns älter, wie ich. Doch seit ‘Drive to Survive’ gibt es Hunderte neue Bewerber in Victoria. Es ist wunderbar, wie viel Energie die jungen Leute mitbringen.”
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Dom und ich beobachten, wie Oscar Piastri in seinem McLaren an der Mauer von Kurve 5 entlangschrammt, ehe Fernando Alonso im Aston Martin die Bestzeit setzt und das Training endet. Auf die Frage, was für ihn ein gelungenes Wochenende ausmacht, antwortet Dom: “Wenn man mit kompetenten, interessanten Menschen arbeitet, Spaß hat und neue Freundschaften schließt.” Vom Sportwart zum Rennleiter der Formel 1 Auch Formel-1-Rennleiter Rui Marques begann als Sportwart – ein Beweis, dass dieser Weg zu einer breiten Motorsportkarriere führen kann. Der Portugiese war zunächst an seiner Heimstrecke Estoril aktiv, später als Technischer Kommissar, Rennkommissar und schließlich Rennleiter zahlreicher FIA-Serien, bevor er 2023 zur Formel 1 berufen wurde. “Ich konnte es kaum erwarten, 18 zu werden, um endlich Streckenposten zu werden”, erzählt er. “Was ich gefunden habe, war eine Familie. Egal, wo man auf der Welt ist – man wird aufgenommen. Ich nehme mir bei jedem Rennen Zeit, um mich bei den Helfern zu bedanken. Ohne sie gäbe es unseren Sport nicht.”
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Ein guter Sportwart, so Marques, sei jemand, “der vorbereitet ist. Man greift vielleicht nur einmal oder zweimal pro Wochenende ein, aber man muss jederzeit einsatzbereit sein und die Abläufe genau kennen. Die Ausbildung durch die Verbände ist entscheidend. Je besser man trainiert, desto sicherer agiert man.” Er freut sich über die jüngere Generation, die nun in größerer Zahl dazukommt. “Früher wurde das Durchschnittsalter in Europa immer höher. Jetzt sehen wir mehr junge Leute, und das ist großartig.” Die FIA hat inzwischen eine eigene Abteilung für Offizielle geschaffen, um Ausbildung und Qualifikationen weiter zu vereinheitlichen.  Filip Cleeren Die freiwilligen Sportwarte müssen jederzeit mit dem Ernstfall rechnen

Zudem wurde der Oktober zum “Monat der Freiwilligen und Offiziellen” erklärt, um ihre unverzichtbare Arbeit zu würdigen. Als das zweite Training beginnt, ertönt erneut das vertraute Kommando: “Fahrzeuge auf der Strecke.” Dieses Mal gibt es mehr Zwischenfälle.
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In Sektor 16 streift George Russell die Mauer und verliert den Frontflügel – rote Flagge. Zwei Bergungsfahrzeuge rücken aus, um die TecPro-Barrieren wieder auszurichten. Kurz darauf kommt die Nachricht über Funk: “Rennleitung an Sektor 16, Nachricht vom Rennleiter: Gute Arbeit!” Nicht jeder Sportwart will in die Formel 1 Für alle anderen ist das eine Gelegenheit, auf den Neustart zu warten und etwas zu trinken, denn die Hitze ist auch nachts drückend. Ich unterhalte mich kurz mit Pei, 37, einer Sportwartin aus Malaysia, die die Lichtsignale bedient. Kurz darauf folgt erneut Rot: Liam Lawson ist in der vorletzten Kurve verunfallt, Trümmerteile liegen auf der gesamten Strecke. “Besen raus”, lautet das Kommando. “Ich brauche etwas mehr Einsatz von eurem Team.” Die Posten arbeiten schnell und effizient, sodass rechtzeitig wieder grüne Flaggen gezeigt werden können, bis schließlich das Signal für die Zielflagge ertönt: “Eine Minute.” Funkstille. “Zielsignal auf Standby. 5, 4, 3, 2, 1 – Zielflagge.”
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Doch Motorsport ist mehr als nur Formel 1. Für viele Sportwarte ist die Arbeit bei lokalen Rennen eine ebenso wertvolle Erfahrung, oft kostengünstiger und direkter. Hier sind sie stärker eingebunden und tragen mehr Eigenverantwortung. Manche der erfahrensten und besten Sportwarte haben nie den Wunsch, in der Formel 1 zu arbeiten. Denn am Ende gilt: Rennen ist Rennen. “Es ist gut, dass sich nicht alles nur auf die Formel 1 konzentriert”, sagt Marques. “Wer nur dort anfängt, sieht oft nicht, wie unterschiedlich andere Serien funktionieren. In Klubrennen hat man weniger Technologie, keine GPS-Daten, und man lernt, flexibel zu handeln. Jede Serie hat ihre eigenen Anforderungen.” Nach einem Tag an ihrer Seite bleibt vor allem eines: tiefer Respekt. Diese Gemeinschaft ist keine lose Gruppe von Einzelpersonen, sondern eine reisende Familie aus Menschen aller Altersgruppen, Kulturen und Hintergründe, die sich gegenseitig schützen – die Fahrer, die Zuschauer und einander. Wer selbst Teil dieser Welt werden möchte, kann sich an den örtlichen Motorsportklub oder die nationale Sportbehörde wenden und mit der Ausbildung beginnen. Es ist der erste Schritt in eine außergewöhnliche, ehrenamtliche Reise.

 
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