Zandvoort: Das “Problem”, aus dem die Steilkurven entstanden

Zandvoort: Das “Problem”, aus dem die Steilkurven entstanden

 

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“Alles begann mit einem Problem.” So beschreibt Streckenchef Niek Oude Luttikhuis die ersten Gespräche mit der Formel 1 über eine mögliche Rückkehr nach Zandvoort. Und das ist die Geschichte dieses Problems, einer außergewöhnlichen Idee und deren Umsetzung. Oder in aller Kürze: Wie die Formel-1-Strecke in Zandvoort zu ihren Steilkurven kam.  Geobrugg Blick in die Steilkurve von Zandvoort nach ihrer Fertigstellung im Winter 2019/2020

Denn dergleichen war 2018 noch kein Thema gewesen. Als Zandvoort erstmals wieder seine Fühler in Richtung der Formel 1 ausstreckte, hatte Max Verstappen aber bereits eine Handvoll Grands Prix gewonnen und war auf dem besten Weg, in den Niederlanden zum Volkshelden zu werden. Warum also nicht ein Heimrennen einrichten für den kommenden Superstar? Was der “Verstappen-Effekt” bewirken konnte, das hatte man schließlich bereits an den Formel-1-Strecken im Ausland gesehen – und auch bei den “Jumbo-Race-Dagen” in Zandvoort, als Tausende vor Ort verfolgten, wie Verstappen Demorunden im Formel-1-Auto drehte. Ein eigenes Rennen erschien wie der nächste logische Schritt.

Weshalb Zandvoort zunächst keinen Formel-1-Vertrag bekam Die Formel 1 sah Charme darin. “Man wollte aber keinen Vertrag mit uns unterschreiben, weil wir keine lange Gerade hatten und damit auch keine lange DRS-Zone, die das Überholen begünstigt hätte – so wie auf fast allen neugebauten Strecken”, sagt Luttikhuis. Der Bahrain International Circuit als Beispiel für einen modernen Grand-Prix-Kurs verfügt über eine Zielgerade, die mehr als einen Kilometer lang ist. Zandvoort hingegen kam auf “nur” rund 700 Meter. Was also tun, um den Anforderungen der Formel 1 gerecht zu werden? “Das Einfachste wäre damals gewesen, die Gerade zu verlängern”, meint Luttikhuis. “Aber: Das geht in Zandvoort nicht. Denn auf der einen Seite befinden sich schützenswerte Sanddünen und auf der anderen Seite die Stadt Zandvoort. Wir konnten die Gerade nicht verlängern.” Die Zielkurve als erweiterte DRS-Zone? Das Formel-1-Management schlug daher vor, das Drag-Reduction-System (DRS) bereits in der Arie-Luyendyk-Kurve zu aktivieren, in der Zielkurve. “Aber damit hatten wir das Problem, dass in der Zielkurve die zulässigen Fliehkräfte überstiegen worden wären”, sagt Luttikhuis. “Die Autos wären ausgangs der Kurve schlicht zu schnell geworden.” Also wurden andere Ansätze diskutiert, insgesamt 15 unterschiedliche. “Ein Vorschlag bestand zum Beispiel darin, die Kurve davor extrem langsam zu gestalten, fast wie ein 90-Grad-Knick. Damit kämen die Autos sehr langsam aus dieser Kurve heraus, was wiederum den DRS-Einsatz in der Zielkurve ermöglichen könnte”, erklärt Luttikhuis.  Circuit Park Zandvoort “Option 14”: Eine mögliche Streckenführung in Zandvoort, die aber nicht umgesetzt wurde

Doch bei Berechnungen stellte sich heraus: Das Grundproblem blieb jeweils bestehen. Die Fliehkräfte am Kurvenausgang der Zielkurve wären höher ausgefallen als es die Formel-1-Vorgaben erlaubten. Zandvoort stand vor einem Dilemma. Wie man in Zandvoort auf eine Steilkurve kam “Irgendwann aber dachte ich mir: Warum machen wir es nicht wie in Indianapolis und bauen eine Steilkurve ein”, sagt Luttikhuis. “Denn dann würde ein Teil der Kräfte nach unten gelenkt.” Was ihn zu diesem Ansatz inspiriert habe? “In Monza war ich schon mal, auch auf dem Banking. Aber hatte ich das im Hinterkopf? Ich weiß nicht. Vielleicht hat mich auch die elektrische Autorennbahn inspiriert, die ich als kleiner Junge mal hatte!” So oder so: Die Idee reichte der Streckenchef in Zandvoort alsbald beim Formel-1-Management ein. “Noch am gleichen Tag erhielt ich die Antwort. Tenor: ‘Ja, das könnte die Lösung sein!’ Wir sollten eine Simulation dazu erstellen. Und da kamen die Architekten und Ingenieure von Dromo ins Spiel.” Die Idee der Steilkurve verfängt sich sofort Wie Jarno Zaffelli als Gründer und Geschäftsführer von Dromo reagierte, als er vom außergewöhnlichen Vorschlag einer Steilkurve erfuhr? “Ich war regelrecht ekstatisch”, sagt der Italiener. Und ich dachte mir: “Endlich gab es mal jemanden, der mit voller Leidenschaft dabei war, komme was wolle. Denn manchmal muss man ein bisschen verrückt sein.” Ihn habe die technische Herausforderung sofort fasziniert: “Es ging darum, die Gerade virtuell zu verlängern, aber ohne das Streckenlayout zu verändern. Im Prinzip mussten wir also eine neue Art von Rennstrecke entwickeln, mit völlig anderen Kennzahlen, mit einem etwas anderen Dreh.” Luttikhuis und Zaffelli lagen sofort auf einer Wellenlänge. “Wenn du positiv reagierst, wenn du mit etwas Neuem konfrontiert wirst, dann hast du schon mal eine gute Einstellung”, sagt Luttikhuis. “Dann weißt du: Diese Firma denkt wie du und nicht zuerst an potenzielle Probleme. Dromo hat sich dieser Aufgabe einfach gestellt.” Wo sich die Streckenarchitekten Inspiration geholt haben Und Zaffelli räumt ein: “Eine Steilkurve auf diese Art zu bauen, das war das erste Mal für uns. Wir hatten davor schon Ähnliches für ein Testgelände entworfen und bei kleineren Projekten, aber jedes Projekt ist individuell. Das bedeutet: Jedes Mal ist ein erstes Mal, keine Lösung lässt sich 1:1 woanders verbauen. Jedes Design ist ein Prototyp.” Was aber nicht heißt, dass sich Dromo nicht hat inspirieren lassen. “Im ersten Schritt haben wir uns Beispiele gesucht: jede Steilkurve in Europa, und zwar auch die allerersten wie in Monza, in Brooklands oder Sitges-Terramar. Denn die Frage ist, wie man das Banking formt.” Kurve 3 ist der eigentliche Hingucker in Zandvoort Und für Zandvoort würde Dromo gleich zweimal in die Trickkiste greifen müssen, auf unterschiedliche Art und Weise: Die Zielkurve sollte den Einsatz von DRS ermöglichen, die Hugenholtz-Bocht (Kurve 3) ein spektakulärer Hingucker sein – und eine zusätzliche, außergewöhnliche Überholstelle.  studiodromo.it Bauarbeiten in Zandvoort 2019/2020: Die neue Kurve 3 entsteht, inklusive Banking

“Das ist eine einmalige Passage für Formel-1-Strecken”, meint Zaffelli. “Deshalb nennen wir Zandvoort auch einen ‘Hypertrack’, weil es bisher nichts Vergleichbares gibt.” Zaffelli weiter: “Wir wollten in Kurve 3 unterschiedliche Neigungswinkel haben und mussten deshalb auch auf die Streckenhöhe in den Kurven davor und danach achtgeben. All das muss man beim Bau berücksichtigen.” Die Besonderheiten beim Streckenbau in Meeresnähe “Denn das Interessante bei Steilkurven ist: Das Banking an sich ist nicht das Problem, sondern das Rein- und Rausfahren in die Steilkurven. In der Vergangenheit war meist dieser Übergang schwierig zu bewerkstelligen. Aber da haben meine Ingenieure in Zandvoort ein Meisterwerk geschaffen.” Denn nicht nur die Lage der Rennstrecke in den Nordsee-Dünen ist einmalig, sondern auch der Untergrund, auf dem die Fahrbahn ruht: Sand. Und dessen Tragfähigkeit ist ein Faktor dafür, wie gebaut werden kann. “Das unterscheidet sich am Meer je nach Gezeiten”, sagt Zaffelli. “Und du musst es dann auch noch schaffen, Regenwasser abzuleiten.” Und all das unter der Prämisse, nicht zu sehr in den Streckenverlauf einzugreifen, wie Luttikhuis betont: “Zandvoort ist ein Kurs der alten Schule, und diesen Look wollten wir uns bewahren. Das hieß: Jede Änderung sollte die Strecke nicht langweiliger machen, sondern aufregender. Und wir wollten am Ende keinen Parkplatz mit bunten Linien haben.” FIA-Kommission mit Zweifel an der Machbarkeit Mit diesen Vorgaben stürzte sich Dromo in das Formel-1-Projekt in Zandvoort. Von Januar bis August 2019 erstellte die italienische Firma etliche Simulationen und leistete Vorarbeiten. “Da war mein gesamtes Team involviert”, sagt Zaffelli. Doch der Einsatz seiner 15 Mitarbeiter lohnte sich: Der Automobil-Weltverband (FIA) gab die Entwürfe zur Umsetzung frei.  studiodromo.it Dromo-Chef Jarno Zaffelli mit FIA-Rennleiter Michael Masi bei den Bauarbeiten in Zandvoort 2019/2020

Zweifel bestanden aber sehr wohl: “In der zuständigen Kommission gab es Skeptiker. Es meinte zum Beispiel jemand, man könne das so nicht bauen”, sagt Zaffelli. Erinnerungen an Indianapolis 2004 und 2005 Auch Luttikhuis war mit Widerständen konfrontiert: “Manche hatten kein Vertrauen in die Daten. Andere hatten Bedenken, weil sie wussten, was beim Grand Prix in Indianapolis in den Steilkurven passiert war.” Zu frisch waren bei einigen Beobachtern die Erinnerungen an diese Zwischenfälle: 2004 war Ralf Schumacher nach einem Reifenschaden in der Steilkurve verunfallt und zog sich eine Gehirnerschütterung zu. 2005 verzichteten die Teams, welche Michelin als Reifenpartner hatten, gleich komplett auf die Rennteilnahme, und es fuhren nur sechs Bridgestone-Autos. “Es gab Vorbehalte”, sagt Luttikhuis. Und damit oblag es Zandvoort und Dromo, die Zweifler von der Machbarkeit ihrer Ideen zu überzeugen, indem das Projekt in die Tat umgesetzt wurde. In den Wintermonaten krempelt Dromo die Strecke um Das geschah Ende 2019 und Anfang 2020: “Wir haben von November bis Februar nur vier Monate für die komplette Bauphase gebraucht”, sagt Zaffelli. “Und man kann sich vorstellen, was die Jahreszeit zu bedeuten hatte.” Nämlich einstellige Temperatur-Werte, zweistellige Regentage pro Monat sowie die wenigsten Sonnenstunden im Jahr.  studiodromo.it Bauarbeiten in Zandvoort 2019/2020: Rund 200 Arbeiter bauen die Rennstrecke um

Rund 200 Arbeiter von Dromo, Zandvoort und einem lokalen Bau-Dienstleister waren vier Monate lang an der Bauphase beteiligt. “Und dank unserer guten Vorbereitung haben wir es in dieser Zeit geschafft”, sagt Zaffelli. Wie groß die Umbauten wirklich waren, zeigt das Beispiel Kurve 3. “Dort haben wir uns für eine Steilkurve entschieden, weil wir dahinter mehr Platz für die Passage zwischen dem Fahrerlager eins und dem Fahrerlager zwei gebraucht haben”, erklärt Luttikhuis. Ein neues Alleinstellungsmerkmal für Zandvoort Zaffelli: “Wir haben Kurve 2 leicht angehoben, Kurve 3 leicht abgesenkt und Kurve 4 wieder leicht angehoben. Außerdem haben wir Kurve 3 um insgesamt 16 Meter versetzt, was aber netto einen Platzgewinn von nur zwei Metern bedeutete aufgrund des Bankings, der Sicherheitsstrukturen und dergleichen. Aber dafür hat Zandvoort mit dieser Kurve jetzt ein Alleinstellungsmerkmal.” Das kann Luttikhuis bestätigen. Die beiden Steilkurven hätten von Anfang an “viel Gutes” für Zandvoort getan. “Wir hatten schon beim ersten Rennen nach der Wiedereröffnung sehr viele Teilnehmer. Der Ansturm war gewaltig.” Doch nicht nur bei Rennfahrern stehen die Steilkurven hoch im Kurs: “Auch Touristen kommen rüber und schauen sich das Banking an. Bei Trackwalks oder Touren zieht es sie immer dorthin. Es ist ein Publikumsmagnet, am Tag und in der Nacht. Die meisten Leute wollen einfach mal in der Steilkurve stehen.” Erwartungen werden übertroffen, eine Wette geht verloren Mit dieser Begeisterung hatten die Verantwortlichen nicht gerechnet. “Für uns waren die Steilkurven ja eine Notwendigkeit. Und wir hatten uns schon gedacht, dass es cool werden würde”, meint Luttikhuis. Die Erwartungen seien aber in jeder Hinsicht übertroffen worden. Nur eine Sache habe “nicht so funktioniert wie geplant”, räumt Zaffelli lachend ein: “Ich habe eine Wette gegen einen Techniker der Formel 1 verloren.”  studiodromo.it Luftaufnahme von Zandvoort nach dem Umbau 2019/2020: Im Vordergrund die Zielkurve

Der Wettgegenstand: Ob in der neuen Kurve 3 überholt werden würde oder nicht. “Er meinte, an dieser Stelle würde niemand überholen, ich hielt dagegen. Und natürlich: Im ersten Jahr [2021] fanden in Kurve 3 keine Überholmanöver statt.” Damit war die Wette für Zaffelli verloren. Aber aus Gründen: “Wir hatten die Kurve auf die neuen Autos ausgelegt, nicht auf die alten. Und ab dem zweiten Jahr” – dann unter dem neuen Formel-1-Reglement – “wurde in Kurve 3 tatsächlich überholt. Das half mir dann aber nichts mehr für die Wette …” Warum DRS nicht schon 2021 freigegeben war Die Verschiebung des neuen Technischen Reglements in der Formel 1 von 2021 auf 2022 war auch ein Grund, weshalb DRS im ersten Jahr in Zandvoort doch nicht schon in der Zielkurve freigegeben wurde. Denn die Planung war eigentlich auf die neue Generation der Grand-Prix-Autos zugeschnitten, aber trotzdem nicht exklusiv auf Formel-1-Autos. Letzteres “geht gar nicht”, meint Zaffelli. “Sonst könnten dort keine anderen Fahrzeuge fahren.” Man habe den Übergang von flacher Rennstrecke zu Steilkurve deshalb so gestaltet, dass möglichst viele Fahrzeuge mit vier Rädern damit zurechtkommen. Nur für Motorräder ist das Layout nicht geeignet, weil “Steilkurven sind nichts für Zweiräder”, sagt Zaffelli. Zandvoort als Blaupause für weitere Formel-1-Strecken? Steilkurven sind aber sehr wohl ein Thema auch für andere Rennstrecken in Europa. Das hat Zandvoort gezeigt, und das spürt Dromo anhand der Nachfrage: “Wir kriegen inzwischen viele Anrufe von Leuten, die durch Kurve 3 auf uns aufmerksam geworden sind”, sagt Zaffelli. Er und sein Team hätten derzeit einige Strecken mit Steilkurven “in der Pipeline”.  studiodromo.it Luftaufnahme von Zandvoort nach dem Umbau 2019/2020: Links im Bild die neue Kurve 3

Um welche Projekte es sich im Einzelnen handelt, das verrät Zaffelli nicht. Nur so viel: Beim geplanten Formel-1-Kurs in Madrid könnte ebenfalls eine Steilkurve enthalten sein, “weil dort genau wie in Zandvoort die FIA-Vorgaben für laterale Kräfte überschritten werden”, erklärt er. “Wir versuchen daher, die Passage auf ähnliche Art und Weise zu lösen wie in Zandvoort.” Doch Zaffelli betont nochmals: Eine 1:1-Kopie wird es nicht geben. “Jeder Fall ist einmalig und die Faktoren sind ohnehin jeweils zu unterschiedlich.” Kleinere Umbaumaßnahmen vor dem Rennen 2023 Und kurzfristig hat Dromo ohnehin andere Aufgaben, auch in Zandvoort. Vor dem Formel-1-Grand-Prix 2023 (hier Tickets kaufen!) mussten einige Bodenwellen entfernt und Änderungen an den FIA-Fangzäunen vorgenommen werden. “Nichts Großes”, betont Streckenchef Luttikhuis. Mittelfristig aber rücken doch nochmal Bagger an in Zandvoort: “Nach dem Grand Prix werden wir die Boxengasse verlängern.” Damit soll den einzelnen Fahrzeugen beim Boxenstopp mehr Platz eingeräumt werden, erklärt Zaffelli. “Sonst haben wir seit dem Umbau eigentlich kaum etwas machen müssen.” Und das spricht für das Strecken- und Steilkurven-Design des ersten “Hypertracks”. Oder wie es Luttikhuis formuliert: “Unsere Steilkurven sind etwas Neues, und sie kommen sehr gut an.”

 
Formel1.de 

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